Überlebenskampf der "Crazy Gang": Die härteste Mannschaft der Fußballgeschichte

Vinnie Jones und seine Medaille nach dem sensationellen Sieg gegen Liverpool im FA-Cup-Finale 1988.
(Foto: picture alliance / Mark Leech / Offside)
Die Mannschaft des FC Wimbledon der späten 80er-Jahre trägt den Titel "Crazy Gang" völlig zurecht. Spieler wie John Fashanu und Vinnie Jones versetzten ihre Gegner reihenweise in Angst und Schrecken. Am Ende ging es nicht selten für die Gastmannschaft um das reine "Überleben".
Es ist eine seltsame Faszination, die von dieser Londoner Mannschaft ausgeht, die Ende der 1980er Jahre als "Crazy Gang" die englische Premier League aufmischte. Die damalige Premierministerin Maggie Thatcher sagte über dieses Phänomen einmal den folgenden denkwürdigen Satz: "Wenn wir das Bier der Marke Newcastle Brown Ale nach Japan verkaufen können, Bob Geldof eine ganze Nation in den Hyde Park treibt und Wimbledon tatsächlich in die erste Liga aufsteigt, dann gibt es nichts, was wir nicht schaffen können."
Eine krude Ansammlung beinharter Kerle aus dem Südwesten der Hauptstadt versetzte eine ganze Fußballnation in Angst und Schrecken. Sie erklärten das Spiel zum Krieg und standen jeden Samstag ab 15 Uhr als "Warlords" unter Strom auf dem Platz. Ihre Anführer hießen "die Axt" (Vinnie Jones) und "Fash the Bash" (John Fashanu). Der eine spielt heute noch in Hollywood-Filmen den Fiesling, der andere präsentierte lange Jahre die TV-Show "Gladiators" im britischen Fernsehen.
Ein Imperator als AnführerJohn Fashanu wuchs nach der Trennung seiner Eltern bei einer Pflegefamilie auf. Viele Jahre nach seinem Karriereende hat er einmal gesagt, dass Wimbledon für ihn die Familie war, die er nie hatte. Er war hart zu sich selbst und noch härter zu seinen Gegnern - und seinen Mitspielern. Vinnie Jones nannte ihn den "Imperator von Nigeria", weil Fashanu nigerianisch-guayanischer Abstammung war und aus seinem natürlichen Anspruch auf die Führungsrolle keinen Hehl machte. Er war der Befehlshaber des FC Wimbledon, daran ließ er keinen Zweifel, zu keiner Zeit: "Wenn du respektiert werden willst und du möchtest, dass das auch so bleibt, dann brauchst du eine Aura der Angst um dich."
Als sich John Fashanu im Rückblick die Frage stellte, ob man damals zu weit gegangen sei, gab es für ihn auch viele Jahre später nur eine einzige Antwort: "Nein, das würde ich nicht sagen. Es ist niemand gestorben. Vielleicht haben sich einige Leute etwas gebrochen, aber das gehört dazu. Also, nochmals: Nein. Wir sind nicht zu weit gegangen. Wir mussten es tun, damit wir überleben konnten!"
Gary Lineker hasste WimbledonDie Gegner haben die Spiele gegen Wimbledon gehasst. Gary Lineker hatte sich auch nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn nicht beruhigt, wie man an der privaten Fehde mit Vinnie Jones Mitte der 1990er Jahre ablesen konnte. Er hasste diese typische "Crazy Gang"-Mischung aus stupidem Kick and Rush und hemmungsloser Brutalität. So waren die Partien mit Beteiligung des FC Wimbledon zumeist nicht schön anzuschauen, wie Gary Lineker sich gelangweilt erinnert: "Deren Spiele hat man sich besser im Videotext angesehen."
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Der libanesische Klubbesitzer Sam Hammam lächelt dagegen noch heute begeistert, wenn er an die damaligen Zeiten denkt: "Wir haben den Rasen vor jedem Spiel gewässert, auch wenn wir gar nicht vorhatten, ihn überhaupt zu benutzen. Der Ball war ohnehin die ganze Zeit in der Luft."
Der niederländische Keeper Hans Segers kam 1988, in der Hochphase der "Crazy Gang", nach London. Er erinnert sich noch genau an seine ersten Eindrücke: "Bei Wimbledon traf ich auf ein Team, das total verrückt war. Vinnie Jones, John Fashanu, John Scales, Eric Young. Alles unglaublich zähe Jungs, die wirklich um jeden einzelnen Ball gekämpft haben. Über Wimbledon standen damals nur schlechte Sachen in den Zeitungen. Die Spieler fanden es aber toll, niedergemacht zu werden. Je schlimmer, desto besser, war das Motto. Es war aber auch eine richtig starke Mannschaft. Wir wollten jedem Gegner Angst einjagen. Wir hatten damals den fettesten Ghettoblaster weit und breit - mit über 100 Watt Leistung."
Gästekabine mit großer Hingabe verunstaltetSegers weiter: "Den Apparat haben wir direkt gegenüber der Kabine des gegnerischen Teams mitten in den Gang gestellt, so dass ihn jeder hören konnte. Vor allem natürlich die Gegner. Aber das Schönste von allem war, wenn wir vor dem Spiel an der Kabine der gegnerischen Mannschaft vorbeikamen. Wir sind immer schon eine Minute früher losgegangen als der Gegner. Und dann haben wir mit den Fäusten gegen deren Tür gehauen. Wir wollten ihnen Angst einjagen. Und was soll ich sagen? In den allermeisten Fällen haben wir nach dieser Aktion quasi schon 1:0 geführt."
Kein Wunder, wenn man weiß, dass die Umkleiden vorher von Mitgliedern der "Crazy Gang" ganz speziell präpariert worden waren. Schimmel an den Wänden, keine Heizung im Winter, kaputte Fenster und kein Klopapier. Stattdessen wurde die Keramikschüssel vorher intensiv genutzt, natürlich ohne zu spülen, sodass in der gesamten Kabine ein ekelhafter Duft hing. Grausamer kann ein Empfang nicht sein - denkt man.
Doch die Spieler des FC Wimbledon schütteten auch noch Salz in den Pausentee, der anschließend natürlich ungenießbar war. Und wenn sich die gegnerischen Akteure für einen Moment setzten und an die gegenüberliegende Wand starrten, so lasen sie dort nicht selten wenig liebevolle Grußbotschaften, die dem Schlachtruf ähnelten, den die "Crazy Gang" beim Betreten des Platzes lauthals intonierte: "Lasst sie uns töten!"
John Barnes hat immer noch AngstAuf dem Weg raus aus den Katakomben ließen es sich die Londoner nicht nehmen, eine erste Salve des übelsten Trash-Talks auf die gegnerischen Spieler abzufeuern. Bei einem Auswärtsspiel in Liverpool sagte Vinnie Jones beispielsweise zum Spielertrainer der Reds, Kenny Dalglish, folgenden Satz: "Ich reiß dir den Kopf ab und scheiß dir in den Hals." Vorher hatte Jones bereits das berühmte "This is Anfield"-Schild mit einem dunkelgelben Rotzer versehen.
John Fashanu und Vinnie Jones liebten die psychologische Kriegsführung vor dem Spiel. Sie schoben sich verbal die Bälle zu. Jones: "Ach, guck mal, Fash, wie wäre es denn heute mal mit dem hier?" Und Fashanu: "Oh, ja, Vinnie. Der wäre einer für dich!"
Vor dem FA-Cup-Finale 1988 gegen den FC Liverpool bemühte sich John Fashanu ganz besonders um dessen Mittelfeldstar John Barnes. Auf den Metern raus aus den Katakomben attackierte "Fash the Bash" seinen Gegenspieler aufs Übelste. In der Erinnerung an diese Momente sollte Fashanu später sagen: "Ich habe ihn extrem beleidigt. Auf eine Art und Weise, wie es nur ein schwarzer Mann gegen einen anderen schwarzen Mann machen kann." Barnes meinte einmal, er wisse gar nicht mehr genau, was damals für Worte gefallen seien. Aber ein Gefühl der Angst überkomme ihn auch heute noch, wenn er an diese Augenblicke denke.
"Unsere einzige Chance zu überleben"Vinnie Jones meinte einmal, dass kein Team gerne nach London gefahren sei. Alle Mannschaften hätten sich vor dem Duell mit der "Crazy Gang" gefürchtet. Niemals sei es in diesen Jahren für die gegnerischen Klubs darum gegangen, mit einem guten Ergebnis die Heimreise anzutreten. Der einzige Gedanke der Spieler sei es gewesen, gesund nach Hause zu kommen. Unter welchem Druck die gegnerischen Vereine standen, zeigt ein Satz von Tottenhams Gary Stevens. In einer Partie gegen Wimbledon hatte der englische Nationalspieler noch auf Jones eingetreten, obwohl dieser bereits am Boden lag. Als er nach der Begegnung gefragt wurde, warum er das gemacht habe, sagte Stevens: "Es war unsere einzige Chance zu überleben."
Und tatsächlich war damals eigentlich alles "crazy" bei diesem Klub - auch eine spezielle Idee des Besitzers des FC Wimbledon, Sam Hammam. Er ließ damals in jeden einzelnen Vertrag seiner Spieler hineinschreiben, dass die Mannschaft bei einer Niederlage mit mehr als vier Toren Unterschied gemeinsam in die Oper gehen müsse. Der Libanese lachte sich noch Jahre später schlapp, wenn er an diesen Kniff dachte: "Überlegen Sie mal: Vinnie Jones sitzt vier Stunden in einer italienischen Oper. Eine absurde Vorstellung. Völlig unmöglich. Sie haben natürlich nie mit vier Toren Unterschied verloren!"
Quelle: ntv.de
n-tv.de



